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Willkommen und beschimpft!

Als wir nachts um zwei Uhr auf den seit einigen Stunden verspäteten Bus warteten, dachte ich darüber nach, welche Ehre es ist, neun Monate hier in Südasien zu leben und von Gott als sein Werkzeug eingesetzt zu werden.

In dieser Zeit habe ich unglaublich viel gelernt. Nun stand ich hier inmitten der Berge an einem Fluss mit Tränen in den Augen, erfüllt mit Dankbarkeit und Liebe im Herzen für die Menschen in diesem Land.

Als medizinische Praxisangestellte war ich in unserer Basis für die Erste-Hilfe-Sets und die Apotheke zuständig und kümmerte mich um Kranke und Verletzte. Bei drei von neun Treks, die ich mit Teammitgliedern unternahm, ging es um medizinische Hilfe. Dabei habe ich in fünf Primarschulen und sechs Seminaren unterrichtet. Die Themen waren: HIV/AIDS, Drogensucht, Schwangerschaft/Abtreibung und Erste Hilfe. Dabei habe ich selbst einiges über Kultur und Menschen gelernt. Dazu gehörte auch das Aufbauen von Beziehungen/Abkommen mit HIV-Zentren und Spitälern sowie Beziehungen zu HIV-positiven Menschen. Auf den anderen Treks ging es hauptsächlich um Glaubens- und Kulturaustausch. Dabei hat sich auch mein sprachlicher oder soll ich sagen pantomimischer Horizont massiv erweitert.

Willkommen und beschimpft

Auf meinem zweitletzten Trek kam uns ein alter Mann entgegen. Am vorhergehenden Tag hatte er kein Interesse an unserer Literatur gezeigt. Nun flehte er uns geradezu an, ihm Bücher zu geben. Während wir mit seiner Tochter Tee tranken, «verschlang» er die Bücher. Das war eines der besten Erlebnisse für mich. Es war so schön zu sehen, dass wir Freude in dieses Dorf brachten. Etwas später sah die Welt leider etwas anders aus. Ein Mann fragte uns, was wir in unseren Säcken hätten. Wir gaben ihm ein Buch und sagten: «Wenn Sie es haben möchten, dürfen Sie es behalten.» Da beschimpfte er uns lautstark: «Was ihr tut, ist verboten! Keiner will euch hier haben.» «Doch», dachten wir, «zuvor hatten bereits 150 Personen Bücher von uns angenommen.» Der Mann rannte in Richtung Beamten-Gebäude davon. «Oh weh, dort müssen wir vorbeigehen, um zum nächsten Dorf zu gelangen», dachte ich. «Die einzige Ausweichmöglichkeit wäre, durch eine Schlucht zu gehen. Dort würde erst in der Regenzeit wieder Wasser fliessen. Nun werden mir meine zehn Jahre Erfahrung in der Jungschar helfen.» Ich schickte unseren Begleiter mit dem Büchersack auf den normalen Weg. Im
Gegensatz zu mir, einem «Schweizerkäse», würde er als Einheimischer nicht auffallen. Wir Frauen nahmen den Weg durch die Schlucht. Dadurch verloren wir jedoch unseren Begleiter und mussten ihn vor dem Beamten-Gebäude suchen. Ich habe meine Lektion gelernt. Gottvertrauen sieht anders aus!

Sicherer Platz bei einem Guru

Erschöpft, ohne Plan und mit etwas Angst standen wir auf der Strasse und fragten uns, wo wir schlafen sollten. Ich war die Teamleiterin und betete innerlich um Hilfe. Da kam plötzlich ein Mann auf uns zu und fragte in perfektem Englisch: «Was tut ihr hier und wo schläft ihr?» Müde sagten wir: «Wir haben keinen Schlafplatz». Der Mann dirigierte uns in eine Blechhütte und kaufte uns erst einmal Trinkwasser – offenbar sahen wir ziemlich durstig aus. «Setzt euch! Ich organisiere etwas», sagte er und verschwand. Wir fragten uns, wie wir dieses Angebot interpretieren sollten: Kümmert er sich um einen Unterschlupf für uns oder ruft er die Polizei? Zu müde, um etwas zu tun, warteten wir ab. Der Mann kam zurück und sagte: «Kommt! Ich habe ein Haus für euch.» Der Hausbesitzer sah wie ein Hindupriester aus und begrüsste uns in Englisch: «Willkommen in meinem Haus! Ich bin Holländer.» Er war als Flüchtling in die Niederlande gelangt und hatte 20 Jahre dort gelebt. Nun besitzt er eine Internatsschule und ist ein Guru (Lehrer des Hinduismus). Er hatte einige Bibeln und fand die christlichen Prinzipien richtig gut. Sein Haus sei ein sicherer Platz für uns, sagte er. Wir erzählten ihm, dass wir unterwegs seien, um christliche Bücher zu verteilen. Davon war er total begeistert. Gott hatte sich aber noch mehr dabei gedacht, als er uns in dieses Haus führte. Der Besitzer war der mächtigste und einflussreichste in der ganzen Region. Dies bedeutete, dass wir für die restlichen Tage unseres Treks geschützt waren.

Von einer Einsatzteilnehmerin aus der Schweiz

Gipfelstürmer in den Himalayas: Einsatz für 5 oder 9 Monate.
Infos: omschweiz.ch/einsatz/himalayas

 

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