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Literweise süssen Tee…

Die Gastfreundschaft der Einheimischen berührte mich sehr. Beinahe in jedem vierten Haus wurden wir zum Tee eingeladen – obwohl die Menschen hier fast nichts besitzen. Dies war eine gute Gelegenheit, um ins Gespräch zu kommen. Und es gab mir einen spannenden Einblick in ihr Familienleben und ihre Kultur. Für sie waren unsere Erlebnisse mit Jesus oder biblische Geschichten etwas ganz Besonderes.

Drei Tage lang zogen wir von Dorf zu Dorf, verteilten Bücher, erlebten schöne Begegnungen und beteten mit den Menschen, die sich noch wie Kinder freuen konnten. Und natürlich tranken wir dabei literweise süssen Tee.

An meine Grenzen gestossen

Der letzte Tag war in allen Belangen einer der intensivsten. Es war fast 40°C und die Luftfeuchtigkeit war wegen dem Monsun derart hoch, dass das Atmen schwerfiel. Ich hatte in meinem Leben noch nie so geschwitzt und der Wasserverlust bereitete mir langsam Sorgen.

Wir verschenkten über den ganzen Tag hinweg 560 Bücher. Der Tuk-Tuk-Fahrer, der bei uns war, half uns etwas beim Tragen der Bücher. Über weite Strecken mussten wir sie jedoch selber tragen. Die Gemüter waren gereizt. Vor dem letzten Dorf hatte meine einheimische Mitbewohnerin plötzlich etwas Bauch- und Kopfweh. Dies bedeutete, dass wir auch noch ihre Bücher tragen mussten – durch einen Fluss.

Wie viel mir die Anstandsregel «Bitte» und «Danke» als Schweizerin bedeutete, fand ich wenige Minuten später heraus. Seit drei Tagen hatte man mich in der Gegend herumgeschickt ohne Bitte oder Danke zu sagen. Da stand ich, bepackt wie ein Maultier, und meine Mitbewohnerin forderte mich auf: «Du musst mehr Bücher packen! Du hast sicher zu wenig.» Der Drang in mir, ihren Kopf im Fluss abzukühlen, wurde beinahe übermächtig, doch ich konnte mich beherrschen. Etwas später bereute ich meinen Temperaments-Ausbruch innerlich und dachte an unsere kulturellen Unterschiede und erhitzten Gemüter. Ich war am Ende meiner Kräfte angekommen und begann zu beten. Ich bat um Hilfe. Keine spezifische Hilfe. Einfach Hilfe.

Ein Engel, oder...?

Am Strassenrand sass ein junger Mann. Als ich ihm ein Buch überreichte und kurz erklärte, worum es sich handelte, stand er auf und sagte: «Also gehen wir an die Arbeit!» Erst habe ich diese Aussage ignoriert, stellte dann aber fest, dass mir der Mann durch das hüfthohe Wasser folgte. Er begann die Menschen zusammenzutrommeln: «Kommt alle her, diese Frauen haben ein gutes Buch, das müsst ihr lesen, es ist wichtig!» Meine Kolleginnen schauten mich nur fragend an. Er begleitete uns durch das ganze Dorf und begann selbst Bücher zu verteilen. In Rekordzeit waren wir fertig. Er verabschiedete sich und verschwand.

Ich habe um Hilfe gebetet, Hilfe erhalten und zwei wichtige Lektionen gelernt: 1. Zügle dein Temperament, sonst bist du keine Hilfe! 2. Wer bittet, dem wird gegeben!

Nach unserer Rückkehr hatte ich ein versöhnendes Gespräch mit meiner einheimischen Mitbewohnerin. Wir tranken zusammen Tee, genossen unser tägliches Reis-Linsen-Gericht und bereiteten uns innerlich auf die achtstündige Heimfahrt vor. Insgesamt hatten wir 936 Bücher verschenkt, von unserem lebendigen Gott erzählt und für viele Menschen gebetet.

Von einer Schweizer Einsatzteilnehmerin in Südasien

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